Kooperationen von Hochschulen
Lars Klapper

Lars Klapper

5 Minuten Lesezeit

08. März 2019

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Insights

Kooperationsformen von Hochschulen: Was ist eine Kooperation? Wie wird sie erfolgreich? (Teil 2 von 2)

Im ersten Teil des Blogbeitrags über Kooperationen von Hochschulen (zum 1. Teil) haben Sie die verschiedenen Kooperationsformen sowie kritische Erfolgsfaktoren für erfolgreiche Kooperationen kennengelernt. Im nun folgenden zweiten Teil erhalten Sie einen Einblick in die Beratungspraxis der myconsult sowie in zwei von uns betreute Kooperationsprojekte.

Zur Erinnerung:Erfolgsfaktoren für die Kooperation von Hochschulen

  1. Zielidentität
  2. strukturelle und kulturelle Ähnlichkeit
  3. Vertrauen und wechselseitige Nachsicht
  4. zielgerichtete Kommunikation
  5. institutionelle Verankerung

Institutionalisierte Kooperation am Beispiel “Portal zur Vergabe von Praktikumsplätzen (PVP) NRW”


Ausgangslage

Das im Jahr 2009 in Kraft getretene Lehrausbildungsgesetz verpflichtet alle Lehramtsstudierenden in Nordrhein-Westfalen (NRW) zu einem Praxissemester. Die jährlich ca. 7500 Studierenden müssen landesweit auf die jeweiligen Schulen verteilt werden. Aus diesem Grund wurde ein Projekt zur Einführung des Praxissemesters und zum Aufbau eines Kooperationsverbunds durch den Arbeitskreis DV-Infrastruktur (DV-ISA) initialisiert. Der Arbeitskreis DV-ISA (Vorgängerorganisation der Digitalen Hochschule NRW) bündelte die Interessen der Hochschulen des Landes NRW auf den Gebieten Information, Kommunikation und Medien. Im Rahmen des Projekts sollen Synergieeffekte zwischen den lehrerausbildenden Universitäten des Landes NRW geschaffen und ein gemeinsames Onlineverfahren zur Verteilung der Studierenden entwickelt werden.


Ziel der Kooperation

Ziel der Kooperation ist die Verteilung der pro Jahr landesweit ca. 7.500 Lehramtsstudierenden im Masterstudium auf die verfügbaren Praktikumsplätze an insgesamt 6.000 Schulen im Land NRW. Um dieser Zielsetzung gerecht zu werden, werden drei übergeordnete Ziele verfolgt:


  1. Es soll ein Onlineverfahren bzw. eine Plattform zur Verteilung der Studierenden aller beteiligten Hochschulen entwickelt werden.
  2. Der Zuteilungsprozess an die Schulen soll landesweit IT-gestützt über die Plattform eingeführt und institutionalisiert werden.
  3. Die Plattform für die Zuteilung der Studierenden soll von allen Kooperationshochschulen gemeinsam betrieben werden.

Aus diesen Zielen ergibt sich der Bedarf nach landesweit abgestimmten Prozessen für die Abwicklung des Praxissemesters. Ebenso bedarf es eines gemeinsamen Konsenses über die regelhafte Durchführung des Verfahrens sowie einer langfristigen kooperativen Struktur.


Ausgestaltung der Kooperation

Neben den Herausforderungen des neuartigen Bildungsangebots einer Vielzahl an Projektbeteiligen war das Einhalten der Zeitplanung absolut kritisch für das Projekt. Aus diesem Grund wurde ein besonderer Fokus auf die zeitnahe und effektive Zusammenarbeit in der Kooperation gelegt. Dieses gelang durch Maßnahmen, welche mehrere der im ersten Teil skizzierten Erfolgsfaktoren positiv beeinflusst haben.

Aufgrund der verschiedenen organisatorischen Hintergründe – Universitäten mit Hochschulfreiheit arbeiten mit den dem Schulministerium unterstellten Bezirksregierungen zusammen – war der Erfolgsfaktor „Ähnlichkeit“ im Vorfeld der Kooperation nur schwach ausgeprägt. Um trotz der kulturellen Unterschiede allen Beteiligten ein Verständnis für die Situation „des Anderen“ aufzubauen, wurde zu Beginn des Projekts das Schaffen einer uneingeschränkten Transparenz hinsichtlich der Prozesse, Akteure und Rahmenbedingungen forciert.

Neben den Unterschieden zwischen den einzelnen Kooperationspartnern stellten historisch begründete, verhärtete Fronten zwischen den Hochschulen und Beteiligten der Bezirksregierungen das Projekt vor große Herausforderungen. Um trotz der Vergangenheit gegenseitiges Vertrauen und wechselseitige Nachsicht zu schaffen, wurde im Rahmen eines dreitägigen Workshops ein kleines Kern-Kooperationsteam geformt, zu welchem im weiteren Verlauf der Zusammenarbeit weitere Mitglieder hinzugezigen wurden. Durch dieses Vorgehen erlangte die Kooperation Stabilität, ohne den im Rahmen des Workshops geschaffenen Zusammenhalt zu verlieren.

Wie bereits beschrieben war ein Ziel der Kooperation der gemeinsame (langfristige) Betrieb des Onlineverfahrens, was die Schaffung einer neuen Organisationsform für das Konsortium erforderte (vgl. Abbildung 1).


Abbildung 1: Gremienstruktur im Projekt PVP

Abbildung 1: Gremienstruktur im Projekt PVP


Fazit

Zum Start der Kooperation PVP waren nur wenige der im ersten Teil des Beitrags benannten Erfolgsfaktoren stark ausgeprägt (Erfolgsfaktoren jetzt nochmal nachlesen). Lediglich die Zielidentität war, aufgrund der veränderten Rechtslage sowie des engen Zeitplans, gegeben. Basierend auf den gleichlautenden Zielen aller Beteiligten sowie einem hohen Erfolgsdruck konnte durch systematische und nachhaltige Maßnahmen der Organisationsentwicklung eine Grundlage für die erfolgreiche Kooperation geschaffen werden, welche letztlich durch das Etablieren einer neuen Organisationsform langfristig institutionalisiert wurde.

Projektbezogene Kooperation am Beispiel “bwCMS”


Ausgangslage

Die neun staatlichen Universitäten des Landes Baden-Württembergs haben sich im Rahmen der Kooperation bwCMS zusammengeschlossen, um sich gegenseitig bei der Einführung eines Campus Management Systems (CMS) zu unterstützen, gemeinsame Themenschwerpunkte und Best Practices zu ermitteln sowie diese gegebenenfalls mit dem Systemanbieter in Entwicklungspartnerschaften umzusetzen.

Die Bearbeitung einzelner Themenbereiche erfolgt im Rahmen von Arbeitspaketen, unter anderen zu den Themen 1) Dialogorientiertes Serviceverfahren, 2) Bewerbung und Zulassung, 3) Geschäftsprozessmodellierung, 4) Chipkarten- und Berechtigungsmanagement und 5) Elektronische Studierendenakte.


Ziel der Kooperation

Ziel des Arbeitspakets bwCMS AP10 ist die Weiterentwicklung des Einsatzes von CMS-Lösungen an den Landesuniversitäten, insbesondere des Systems HISinOne der HIS eG, der Wissens- und Erfahrungsaustausch sowie die gemeinsame Erarbeitung und Umsetzung von Fachkonzepten.

Die insgesamt sechs am AP10 beteiligten Universitäten wiesen dabei unterschiedliche Fortschritte bei der Einführung von HISinOne an der jeweiligen Hochschule auf. Während einige Partner bereits einzelne CMS-Module eingeführt hatten, begannen andere Partner erst mit dem Einführungsprojekt von HISinOne.


Ausgestaltung der Kooperation

Im Gegensatz zum oben beschriebenen Projekt PVP waren bereits vor Beginn des AP10 einige Erfolgsfaktoren gelungener Kooperationen stark ausgeprägt. Aufgrund der bereits seit langem bestehenden Zusammenarbeit einzelner Landesuniversitäten und deren personeller Vertreter in unterschiedlichen Kontexten lag bereits ein Grundvertrauen der Hochschulvertreter untereinander vor. Trotz der bereits längerfristigen Zusammenarbeit der Konsortialpartner warude die Kooperation von einer offenen und begrüßenden Haltung gegenüber neuen Mitgliedern geprägt, welche ihnen die Integration in die Gruppe erleichterte. Das Ziel der Kooperation, die Weiterentwicklung der CMS-Lösung HISinOne, wurde von allen Beteiligten gleichermaßen mitgetragen, ohne dass Partikularinteressen einzelner Kooperationspartner dominierten. Themenschwerpunkte in der Kooperation lagen auf den Bereichen Bewerbung und Zulassung, Studierendenmanagement, Veranstaltungs- und Prüfungsmanagement sowie systemweiten Komponenten.

Im Gegensatz zur oben vorgestellten Kooperation PVP wurde die Rolle der Projektleitung in der Kooperation bwCMS AP10 extern durch die myconsult besetzt. Als Vorgehensweise wurde eine agile Entwicklung der Anforderungen in inkrementellen Interationen gewählt. In Abständen (Sprints) von vier Wochen wurden die Anforderungen für die folgenden vier Wochen konzipiert sowie die im vergangenen Sprint entwickelten Funktionalitäten getestet.

Die Formulierung der Anforderungen stellte sich als außerordentlich kommunikationsintensives Unterfangen dar. Bereits vor der Abstimmung mit der HIS eG musste zwischen den Hochschulen ein Konsens über die inhaltliche Ausgestaltung der jeweiligen Anforderungen geschaffen werden. Das oben beschriebene agile Vorgehen bot die Möglichkeit, Schwerpunktthemen iterativ abzustimmen und weiterzuentwickeln. Trotz hoher kommunikativer und koordinativer Aufwände waren die periodischen Präsenztreffen sämtlicher Kooperationspartner über die Projektlaufzeit ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Projekt. Durch die regelmäßige direkte Kommunikation sowie eines geeigneten Kommunikationsmixes wurde die kontinuierliche Information aller Projektbeteiligen sichergestellt.


Fazit

Das Projekt bwCMS AP10 wurde im September 2017 erfolgreich abgeschlossen. Die spezifizierten Anforderungen an das CMS wurden im Rahmen von halbjährlichen Releases durch den Systemlieferanten allen Nutzern der HISinOne-Lösung zur Verfügung gestellt.

Bereits vor Projektstart wies die Kooperation AP10 einige der Erfolgsfaktoren zur Bildung einer erfolgreichen Kooperation auf. Durch die Schaffung passender Rahmenbedingungen gelang es, die Zusammenarbeit innerhalb der sechs Hochschulen untereinander als auch mit dem Systemlieferanten gemeinsam so zu strukturieren, dass binnen kurzer Zeit Fachdesigns zu den Anforderungen entstanden, welche vom Lieferanten umgesetzt und vom Kunden abgenommen wurden. Die für die Zusammenarbeit Kunde/Softwarelieferant bislang „neue“ und unübliche agile Herangehensweise hat sich auf in diesem Projektkontext als äußerst belastungsfähig und tragend erwiesen.


Zusammenfassung

Sie haben nun die Grundlagen und Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen Kooperationsbildung anhand von zwei Erfahrungsberichten der myconsult näher kennengelernt. Neben einem gemeinsamen Ziel, auf das die Kooperationspartner hinarbeiten, begünstigen eine gewisse Ähnlichkeit der Kooperationspartner untereinander und gegenseitiges Vertrauen den Erfolg von Kooperationen. Weitere Erfolgsfaktoren sind eine zielgerichtete Kommunikation sowie die institutionelle Verankerung der Eskalations- und Entscheidungskompetenz innerhalb der Kooperation.

Wie aus den oben genannten Beispielen ersichtlich wurde, sind Kooperationen selbst höchst heterogen. Während unserer langjährigen Beratungserfahrung im Hochschulumfeld haben wir bereits eine Vielzahl von Kooperationen initiert und Kooperationsvorhaben begleitet. Unser Leistungsangebot reicht von der Organisationsentwicklung und dem Veränderungsmanagement in der Kooperationen über die Entwicklung und Definition von Prozessen bis hin zum Management von Kooperationsprojekten selbst.

Falls Sie weitere Fragen rund um Kooperationen und Kooperationsprojekte haben oder auch unabhängig davon neugierig sind, in welchen Bereichen wir überdies tätig sind, sprechen Sie uns gerne an!



Quellen

Hechler, D.; Pasternack, P.: Zwischen Kooperieren und Fusionieren; Wissenschaftsmagazin 4/2013, S.14 – 17, 2013.

Dornseiff, K./Groening, Y./Kassanke, S.: Gelebte Kooperationsformen zwischen Hochschulen – Möglichkeiten der Ausgestaltung kritischer Erfolgsfaktoren anhand von Praxisbeispielen, in: Gesellschaft für Informatik, Bonn 2016, S. 967-981. Hier ansehen

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