Eva Groddeck

Eva Groddeck

6 Minuten Lesezeit

05. Februar 2019

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Interview

“Am mycrofon mit” Dr. Ingo Erdmann zum Thema Digitale Transformation.

Für unsere Interview-Reihe “Am mycrofon mit…” konnten wir einen Experten der COMPRION GmbH gewinnen. “Am mycrofon mit…” begrüßen wir Dr. Ingo Erdmann, Direktor für Administration und Corporate Services bei der COMPRION GmbH zum Thema Digitale Transformation.


 Dr. Ingo Erdmann


Wann 11.2018 

Gesprächszeit 10 Minuten


Herr Erdmann, beschreiben Sie bitte kurz Ihre Organisation…

Ich bin Direktor für Administration und Corporate Services bei der COMPRION GmbH. Das bedeutet, ich bin verantwortlich für die Bereiche Verwaltung und interne Dienstleistungen, Prozesse und IT-Infrastruktur inklusive Applikationsbetrieb. COMPRION ist ein mittelständisches Unternehmen mit Hauptsitz in Paderborn. Wir sind seit über 15 Jahren am Markt und beschäftigen ca. 150 Mitarbeiter an verschiedenen Standorten, in Düsseldorf, den USA und Peking sowie am Hauptsitz in Paderborn. COMPRION ist der weltweit führende Anbieter von Testsystemen für Mobilfunk und Smart Cards. Weiterhin sind wir tätig in verschiedenen Standardisierungs- und Regulierungsgremien, was uns dabei hilft, neue Technologien und Spezifikationen zeitnah in unserer Produktpalette umzusetzen. Alle namhaften Mobiltelefon-Hersteller, SIM-Karten-Hersteller, Netzbetreiber und Testhäuser für die Zulassung von Mobilgeräten aus insgesamt 55 Ländern gehören zu unseren Kunden, die die präzisen Mess- und Testeigenschaften unserer Produkte schätzen.


Herr Erdmann, vervollständigen Sie bitte den Satz: “Digitale Transformation bedeutet für mich…”

…eine Verdichtung der Tätigkeiten im privaten und im beruflichen Leben. Im Vergleich zu unserer Elterngeneration sind wir ständig erreichbar, wir haben ganz viele verschiedene Kommunikationskanäle und die Themen, die wir bearbeiten, sind sehr vielfältig. Die Problematik des Information Overloads gibt es ja schon seit den 80er, 90er Jahren. Heute wird die Verdichtung im privaten Umfeld durch soziale Medien vorangetrieben, die zu jederzeit um unsere Aufmerksamkeit buhlen. Auch im beruflichen Umfeld gibt es eine Vielzahl an Kommunikationskanälen und betriebswirtschaftlichen Anwendungssystemen, die Mitarbeitern Informationen liefern und Aufgaben für sie bereitstellen. E-Mail ist da noch das geringste Übel. Die Vielzahl an Kanälen führt zu einer starken Verdichtung von Aufgaben und fordert eine höhere Effizienz von den Mitarbeitern, was eine echte Herausforderung darstellt.

Die Digitalisierung bietet natürlich auch Vorteile. Vor allem im Privaten gibt es viele Komfortfunktionen, die uns digitale Assistenten bieten – dank Push Benachrichtigungen ist man immer auf dem neusten Stand und die Technik kann einem z. B. dabei helfen, gesundheitlich besser auf sich selbst zu achten – Stichwort Health Applikationen.


Wie bewerten Sie die Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere Gesellschaft? Eher positiv oder negativ?

Die Verdichtung des privaten und beruflichen Lebens ist sicherlich eine Herausforderung. Außerdem beschleunigt sich der digitale Wandel zunehmend. Im Unternehmensumfeld ist es essenziell, sich dieses Wandels anzunehmen und ihn proaktiv zu gestalten, um überlebensfähig zu sein. Der digitale Wandel ist wie ein drängelnder Chef, der nie Ruhe gibt und immer fordert, besser zu werden. Trotzdem geschieht der Wandel nicht unbedingt disruptiv. Es ändert sich zwar vieles, man betrachte nur mal die Rolle, die Amazon in unserem Leben spielt. Aber auch das hat seine Zeit gedauert – Amazon gibt es schließlich auch schon seit 25 Jahren.

Gleichzeitig eröffnet uns die Digitalisierung neue Möglichkeiten, die sich positiv auf die Gesellschaft auswirken. So kann ich z. B. mit Bekannten in Kontakt bleiben, auch wenn ich sie nicht jeden Tag sehe. Ich persönlich bin besonders auf das autonome Fahren gespannt. Die Zeitersparnis, die sich für manche Berufsfelder eröffnen wird, wenn man nicht selbstständig das Auto steuern muss, ist ein großes Thema. Denkt man aber an die Work-Life-Balance stellt sich schon die Frage, ob diese zusätzliche Zeit dann zur Entspannung oder für die Arbeit eingesetzt wird.


Können Sie bestimmte Digitalisierungstrends oder Technologien ausmachen, die aus Ihrer Sicht COMPRION in naher Zukunft stark beeinflussen werden?

Das möchte ich auf zwei Ebenen beantworten. Einerseits beeinflussen neue Technologien unsere Produkte, die in diesem Hightech-Umfeld angesiedelt sind. Andererseits beeinflussen uns die Technologien aber auch als mittelständisches Unternehmen.

Für unsere Produkte ist im Moment 5G ein großes und wichtiges Thema, eine sehr komplexe und umfassende Technologie, die relevant ist für unsere gesamte Produktpalette. Außerdem bedarf es für das autonome Fahren einer stabilen mobilen Dateninfrastruktur, die zunächst noch aufgebaut werden muss. Für das autonome Fahren müssen Autos nicht nur untereinander, sondern auch mit der Ampel und vielleicht mit der Smartwatch eines Fußgängers vernetzt kommunizieren können. Für diese Infrastruktur benötigen wir internationale Standards, die industrieübergreifend gelten. Das passt zu unserer Expertise und eröffnet uns neue spannende Geschäftsfelder.

Gleichzeitig hat die Digitalisierung auf COMPRION ähnliche Effekte wie auf andere mittelständische Unternehmen. Die Produktlebenszyklen haben sich verkürzt, sodass Produkte heutzutage schneller am Markt sein müssen. Vertrieb und Marketing funktionieren nicht mehr nach dem Push-Prinzip. Die Kunden holen sich heute die Informationen bei Bedarf eigenständig im Netz. Online-, Content- und Inbound-Marketing geht nunmehr vom Kunden aus und nicht mehr vom Anbieter. Deshalb müssen wir unsere Kompetenz über hochwertigen Content hervorheben und dem Kunden zu jedem Zeitpunkt auf seiner Kundenreise die für ihn relevanten Informationen bereitstellen.

Ich denke, es ist bei der Digitalisierung manchmal aber auch wichtig Nein zu sagen. Das papierlose Büro hat sich bis heute nicht durchgesetzt. Volle Digitalisierung ist nicht immer wirtschaftlich, vor allem in mittelständischen Unternehmen, wenn z. B. Beispiel die Anzahl an Kundenvorgängen gering ist.


Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen der Digitalisierung für COMPRION? Wie kann COMPRION diesen Herausforderungen begegnen bzw. kennen Sie Beispiele, wie diese die Digitale Transformation gestalten?

Lassen Sie mich hierzu bitte mit einem Beispiel antworten. Die SIM Karte wird zunehmend häufiger durch eine sogenannte eSIM ersetzt. Das „e“ steht für embedded und bedeutet, dass es kein kleines Stück Plastik mit einem Chip mehr gibt, das einfach ausgetauscht werden kann. Stattdessen wird ein Chip direkt in das Gerät eingelötet. Das ist beispielsweise schon so bei vielen Smartwatches, aber auch den aktuellen Versionen von iPhones oder Google Pixel Handys. Natürlich soll die Flexibilität bei der Netzauswahl im In- und Ausland dabei erhalten bleiben. Daher wurde der Prozess der Netzbetreiberauswahl und deren Wechsel digitalisiert. Wir haben das frühzeitig erkannt und gemeinsam mit unseren Kunden daran gearbeitet, diese neue digitale Infrastruktur zuverlässig und sicher zu gestalten.

Aus unserer Sicht liegt die Herausforderung also nicht primär in den neuen Technologien. Im Gegenteil, diese lassen sich häufig auf rein technischer Ebene erlernen und verstehen. Das viel spannendere Thema hier ist häufig aber die Rückkopplung mit dem Geschäft. In unserem Beispiel stellte die neue Herausforderung eine großartige Lerngelegenheit dar, die es uns nun ermöglicht neue Chancen zu ergreifen und ganz neue Geschäftsfelder zu erschließen. Dabei hilft es COMPRION enorm, bei Kunden-individuellen Produkten und kleinen Stückzahlen sehr wettbewerbsfähig zu sein. Komplexe Produkte, wie beispielsweise das iPhone, können in sehr großer Zahl in China hergestellt werden und das zu Kosten, die in Deutschland nicht möglich sind. Wir bei COMPRION konzentrieren uns auf unsere Produktpalette und setzen auf Individualisierung und enge Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Wir vertreiben Investitionsgüter und unsere Geräte werden durch unsere Kunden häufig deutlich länger als 10 Jahre genutzt – trotz der zuvor genannten im Allgemeinen kürzer werdenden Produktlebenszyklen. Gleichzeitig müssen wir in unserem Geschäftsmodell und in den Prozessen sehr flexibel sein. Das gelingt uns nur aufgrund der hohen Qualifikation unserer Mitarbeiter und einem hohen persönlichen Engagement sowie dem Vertrauen zu unseren Vorlieferanten, Kunden und der vertrauensvollen Zusammenarbeit in Standardisierungsgremien.

Um Produkte schneller an den Markt zu bringen, haben wir vor einigen Jahren auf agile Soft- und Hardware-Entwicklung umgestellt. Zusätzlich ist unsere Organisationsstruktur sehr flexibel, was es uns ermöglicht, Expertenteams zusammenzustellen, die schnell zu Lösungen kommen können. Auch unsere interne IT-Infrastruktur entwickeln wir kontinuierlich weiter, um z. B. dem Vertrieb detaillierte Informationen zu unserer doch recht komplexen Produktpalette dann zur Verfügung zu stellen, wenn sie benötigt werden.


Was sind die drei Kernkompetenzen, die Mitarbeiter bzw. Arbeitskräfte in den nächsten 5 Jahren haben bzw. entwickeln müssen, um die Digitale Transformation umsetzen zu können?

Eine fachliche Qualifikation ist natürlich in jedem Job notwendig. Es bedarf aber auch sozialer Kompetenzen, die einem Mitarbeiter dabei helfen, sich in der verdichteten Arbeitswelt zurecht zu finden. Aufgaben organisieren und priorisieren zu können wird eine immer wichtigere Eigenschaft. Flexibilität und die Bereitschaft ständig Neues zu lernen und gutes Zeitmanagement zählen ebenso dazu. Ferner muss man eine Strategie haben, den Information-Overload zu bändigen. Man muss die Informationen filtern können, die wichtig und relevant sind. Dazu benötigt man auch ein gewisses Maß an Selbstdisziplin und Fokussierung, um mit Unterbrechungen z. B. durch das Smartphone oder die Smartwatch umgehen zu können.

Selbstreflexion, was auch bedeuten kann, sich selbst Dinge vorzuenthalten, wird ebenfalls an Bedeutung gewinnen. Ich selbst habe vor einigen Jahren meinen Facebook-Account gelöscht, was mir nicht leichtgefallen ist, denn man investiert ja auch einiges an Zeit in ein soziales Netzwerk. Wenn die Relevanz eines Informationskanals aber die Zeit, die man für ihn aufwendet, nicht mehr rechtfertigt, dann sollte man mutig genug sein und diesen Kanal schließen. Man muss sich selbst erlauben, auch mal eine Information verpassen zu dürfen. Man muss nicht gleich seine Accounts löschen, aber einfach die ein oder andere Push-Benachrichtigung ausschalten oder für sich feste Zeiten definieren, in denen man zum Beispiel seine E-Mails checkt, kann sicherlich dabei helfen, im Privaten entspannter zu sein.

Aus Work-Life-Balance wird zukünftig vielleicht Work-Health-Life-Balance. Neben der Arbeit noch auf sich und seinen Körper zu achten, wird bei der zunehmenden Verdichtung von Privatem und Beruflichen noch wichtiger und rückt ja schon heute stärker in den Vordergrund unserer Gesellschaft.



Wir fragen. Sie antworten. Wir sprechen miteinander. „Am mycrofon mit…“ – das ist unsere Interview-Reihe zu aktuellen Themen. Das Know-How und die Erfahrung unserer Gesprächspartner stehen im Vordergrund. Sie sind Experte auf Ihrem Gebiet und Ihnen macht keiner so schnell etwas vor? Dann möchten wir mit Ihnen sprechen. Schreiben sie uns: info@myconsult.de

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